Vom Handwerk des Friedens… - Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock - 15./16. Juni 2024

 

Predigt-Impuls für das Wochenende vom 15./16. Juni 2024. (11. Sonntag im Jahreskreis)

 

Am Wochenende vom 15./16. Juni 2024 findet auf dem Bürgestock die internationale Konferenz zum Krieg in der Ukraine statt. Auf Initiative und Einladung der Schweiz treffen sich zahlreiche hochranginge Politikerinnen und Politiker aus der ganzen Welt, um über Wege zu einem Frieden im Krieg des russischen Regimes gegen die Ukraine zu diskutieren.

Nebst der politischen Diskussion ist diese Konferenz auch ein Anlass, nicht nur über Frieden nachzudenken, sondern auch um Frieden zu beten. Der Bürgenstock, in unmittelbarer Nähe zum Ranft, wo Bruder Klaus vor mehr als 500 Jahren gewirkt hat, regt dazu an, in den Gottesdiensten dem Thema „Frieden“ Aufmerksamkeit zu widmen.

Die Kommission Justitia et Pax – Gerechtigkeit und Friede – will Ihnen für die Gestaltung des Gottesdienstes einige inhaltliche Impulse geben.

 

Perspektiven – Hoffnung – Mitwirkung

Gedanken am Sonntag der Bürgenstockkonferenz zum Krieg in der Ukraine

Unsere Welt ist geprägt von Unfriede, Krieg und Verunsicherungen. Wir spüren das im Grossen und Kleinen. Wir hören Menschen fragen: „Was bringt es denn, über Frieden zu reden?“ „Gäbe es nicht Gescheiteres zu tun, als sich auf dem Bürgenstock zu treffen?“

„Wofür sollen wir uns überhaupt noch einsetzen?“ Ernüchterung, Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit finden sich zuhauf.

Nichts desto trotz sehnen sich die Menschen in der Ukraine und auch wir nach einem Ende des Kriegs und wünschen uns den Frieden. Was aber gibt uns die Kraft dazu? Die Lesungen vom heutigen Sonntag können inspirieren.

 

Perspektiven: Die 1. Lesung aus dem Buch des Propheten Ezechiel

Ezechiel, Prophet und Begleiter Israels im babylonischen Exil, erzählt die Geschichte von einem neuen Anfang, mit Bildern, die über sich hinaus wachsen: kleine Ableger wachsen auf der Höhe in die Höhe, alles, was Flügel hat, wohnt im Schatten grossmächtiger, schützender Zweige und die Bäume, die in der Ebene wachsen, erkennen Gott als den Herrn. Es sind Bilder, die in einer ausweglosen und verunsichernden Situation eine Perspektive eröffnen: Israel wird neu eingepflanzt, wird von weitem gesehen, wird zu einem Lebensraum in der Nähe des Himmels und lädt ein, Gottes Grösse zu entdecken. Das alles wird im Exil verkündet und erwartet. Es ist eine Zeit, in der das Volk Gottes in schuldbeladener Geschichte sich und Gott – und damit auch die Zukunft – neu entdeckt.

Hoffnung: Die 2. Lesung aus dem Brief von Paulus an die Korinther

So wie der Apostel Paulus den Korinthern für das Leid eine neue Sichtweise eröffnet, so tut er das auch für den Tod. In 2 Kor 5,6-10 spricht er voll Zuversicht von der schon geschehenen Überwindung des Todes durch Jesus Christus. Der Furcht des Menschen vor dem Tod stellt Paulus die Gewissheit des Glaubens und damit die Hoffnung gegenüber. So sehr er sonst darauf hinweist, dass Christsein heisst, schon jetzt mit oder in Christus zu sein, d. h. in seiner Nachfolge zu leben, so betont er hier, dass der Christ über dieses Leben hinaus noch etwas zu erwarten hat. Das irdische Leben ist für ihn Aufgabe und Auftrag, aber seine Heimat findet der Christ erst bei Gott. Hoffnung ist nicht umsonst!

Mitwirken: Das Evangelium von Markus

Aus kleinsten Anfängen kann etwas grosses Erwachsen. Das ist die Botschaft des Markus-Evangeliums. Doch Voraussetzung ist, dass wir den guten Samen aussäen. Dann dürfen wir darauf vertrauen, wie das Gute, das wir ausgesät haben wachsen, Wurzel schlagen, blühen und reifen kann. Auch wenn beim Zeitpunkt des Säens sich keiner wirklich vorstellen kann, wie die Ernte aussehen wird. Gerade wer aus Hoffnung eine Perspektive kennt, darf jederzeit anfangen, diese in die Welt hinauszutragen.

 

Perspektive – Hoffnung – Mitwirken!

Perspektive: Angesichts von Zerstörung und Hoffnungslosigkeit lässt der Prophet Ezechiel Bilder des Lebens, wie das der heranwachsenden Zeder vor unseren Augen lebendig werden. Für uns heisst es: Gewalt und Zerstörung haben nicht das letzte Wort.

Hoffnung: Gerechtigkeit und Frieden auf dieser Welt werden immer etwas Vorläufiges sein. Nie perfekt und immer bedroht. Dran bleiben können wir, weil unsere Hoffnung im Glauben begründet ist. Daran erinnert uns Paulus im heutigen Korintherbrief.

Mitwirken: Immer wieder braucht es den ersten Schritt. Es braucht jemand, der oder die den guten Samen aussät, damit Frieden und Gerechtigkeit wachsen und reifen können. Daran erinnern uns die Wachstumsgleichnisse, die der Evangelist Markus für uns aufgeschrieben hat.

Mitwirkung: Handwerk und Architektur

In seiner Enzyklika Fratelli tutti hebt Papst Franziskus hervor, dass unser Engagement für den Frieden immer zwei Dinge braucht: das persönliche Engagement (der Papst nennt dies „Handwerk des Friedens“) und strukturelle – also politische – Massnahmen (der Papst nennt dies „Architektur des Friedens“).

Friedenshandwerk beginnt dann, wenn wir den Dialog suchen, wenn wir auf andere zugehen, unsere Sorgen und Hoffnungen teilen und den Glauben an eine bessere und gerechtere Welt zum Ausdruck bringen und gleichzeitig den Menschen vis-à-vis in seiner Andersheit respektieren. Dies ist angesichts einer durch populistische und polarisierende Diskussionen geprägte Öffentlichkeit gar nicht so einfach. Doch kein Weg führt am genauen Hinschauen vorbei, am Zuhören und Gespräch und am gegenseitigen Respekt. Dialoge sind nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt. Echte Dialoge benötigen auf beiden Seiten, die Bereitschaft, nicht nur dem anderen zuzuhören, sondern ihn auch verstehen zu wollen und gegebenenfalls die eigene Position zu überdenken.

Auch bei der Architektur des Friedens, den politischen Arbeiten – wie eben an diesem Wochenende auf dem Bürgenstock – steht nicht die Versöhnung (auch wenn wir alle dies erhoffen), am Anfang der Kriegs-Eindämmung und des Prozesses zum Frieden. Bei schweren Vergehen gegen die Menschlichkeit können wir uns Versöhnung im Moment nur schwer vorstellen. Versöhnung braucht Zeit, muss erdauert werden, kann erst am Ende eines längeren Besinnungs- und Entsühnungsprozesses stehen. Die Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine letztes Jahr in Lugano und jetzt die Konferenz zur Anbahnung eines künftigen Nicht-Krieges und späteren Friedens auf dem Bürgestock können heute erste kleine Schritte und Mosaiksteine auf diesem Weg sein, von denen es noch ganz viele mehr brauchen wird.

Zur Architektur des Friedens gehört aber auch ein klarer Blick auf die Gewalt in unserer Welt, die Stärkung des internationalen Rechts und der Menschenrechte als Grundlage. Es braucht Schritte in die Richtung, dass Aufrüstung nicht zu mehr Sicherheit führt und dass die weltweiten Wirtschaftsbeziehungen von Gleichberechtigung und Gerechtigkeit geprägt werden müssen. Dabei gilt: all dies ist heute nicht ohne Einbezug des Schutzes des Planeten und der künftigen Generationen denkbar.

Jedes Engagemnt verlangt – ob vor Ort oder weltweit – einen kritischen, analytischen Blick auf die Situation, die Geschichte und die Zusammenhänge. Dies ist häufig schwierig und scheint uns zu überfordern. Allein zum Krieg in der Ukraine gibt es Unmengen an Literatur und Analysen – auch Widersprüchliches. Und selbst wenn das, was heute not- wendig ist, unsere Fähigkeiten zu überfordern scheint, erinnern uns die Texte aus der Bibel am heutigen Sonntag daran, dass Bemühungen, wie heute auf dem Bürgenstock wie ein kleiner Same wirken können.

Viele vermögen dieser Saat noch nichts abgewinnen – doch was würden Ezechiel, Paulus oder Markus dazu sagen? Welchen Tipp würden sie den Politikerinnen und Politikern auf dem Bürgenstock geben? Was bedeutet ihnen Perspektive – Hoffnung – Mitwirkung?

Auch an uns richten sich diese Fragen: Welche Geschichten erzählen wir weiter? Was sagen uns Perspektive – Hoffnung und Mitwirkung?

In einem Moment der Stille wollen wir diesen Fragen noch etwas Raum geben.

 

Ende Mai 2024 – Justitia et Pax

 

Ansprechperson

Thomas Wallimann-Sasaki, Dr. theol. Präsident
079 848 99 65
sozialethik@bluewin.ch

 

L’artigianato della pace…-Bürgestock-15/16 giugno 2024